Projekttage: „Leben auf der Straße“ (2022)

Im Rahmen der Projektwoche haben wir uns mit dem Thema „Leben auf der Straße“ auseinandergesetzt und uns gefragt, wie Menschen obdachlos werden, ob es Möglichkeiten aus der Wohnungslosigkeit gibt, wie sehr das Thema Alkohol und Drogen präsent ist und wie wir als Einzelperson im Alltag helfen können. Hierzu haben wir uns mit dem ehemals Wohnunglosen Dominik Bloh, dem Sozialarbeiter und Leiter des Bodelschwing-Hauses Sebastian Stange von der Stadt-Mission und der Hempels-Mitarbeiterin Cathrina Neubert unterhalten und zu diesen Themen befragt.


Zunächst ist es wichtig, zwischen Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit zu differenzieren. Viele Menschen, die ihren Wohnsitz verlieren, gehen weiterhin zur Arbeit oder anderen Tätigkeiten nach. Das Bild von Menschen, die auf der Straße oder Bänken schlafen, trifft demnach kaum auf sie zu. Oft schlafen sie in Garagen oder Kellern oder kommen bei Freunden und Bekannten unter. Hier wird auch von verdeckter Wohnungslosigkeit gesprochen, da die genauen Zahlen unbekannt sind und die Menschen in der Masse der Gesellschaft nicht auffallen. Hinzukommt, dass vor allem Frauen, aber auch andere Gender sexuelle Verhältnisse eingehen, um ein Obdach zu haben. Somit
gelten sie nicht als obdachlos, besitzen jedoch keinen eigenen Wohnsitz.

Wie kommt es nun dazu, dass Menschen wohnungs- oder obdachlos werden?
Dominik Bloh berichtete uns von seinem Einzelschicksal. Seine Mutter beschloss aufgrund multipler psychischer Erkrankungen ihre Vormundschaft abzulegen und ihn von zu Hause rauzuwerfen. Nachdem lebte er zehn Jahre auf der Straße. Natürlich geraten nicht alle Menschen auf diese Weise in die Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Von Problemen in der Familie, bis hin zur unerwarteten Kündigung des Mietvertrags, das Spektrum für Gründe seinen Wohnsitz zu verlieren ist riesig. Und kann alle treffen. Auch dich.


Welche Wege gibt aus der Wohnungs- und Obdachlosigkeit heraus?
Aufgrund eine Art Drehtüreffekt ist es schwierig, eine neue Wohnung zu finden, wenn man seine vorherige verloren hat. Fehlender sozialer Wohnungsbau oder kaum finanzierbare Unterkünfte führen dazu, dass es für wohnungs- und obdachlose Menschen meist nicht möglich ist Miete zu zahlen, da sie ihr weniges Geld in Nahrung und Kleidung investieren.
Hinzu kommt, dass Menschen sich in solchen Situation häufig dem Alkohol und den Drogen zuwenden, um ihr Leben erträglicher zu machen, gleichzeitig jedoch in eine Abhängigkeit geraten. Dies wird in Akten der Ämter vermerkt und erschwert es diesen Menschen, einen Wohnsitz zu finden. Somit beginnt der Kreislauf von vorn.
Der gesundheitliche Zustand ist auch oft ein Indikator, warum Menschen keinen Arbeitsplatz finden und somit kein
Geld verdienen, von dem sie eine Wohnung finanzieren können.
Da es ihnen nicht möglich ist, Versicherungsbeiträge zu zahlen, erhalten sie wenig medizinische Unterstützung,
erleben häufiger Zurückweisungen und nehmen den Weg zum Arzt oder ins Krankenhaus oft gar nicht auf sich. Andere wollen sich überhaupt nicht behandeln lassen und verweigern ärztliche Hilfe. Ein weiterer Punkt ist die mangelnde Unterstützung bei psychischen Erkrankungen. Unterstützung können Menschen zum Beispiel von der Kieler Stadt-Mission oder Hempels bekommen. Im
Bodelschwinghaus ist es möglich, ein Zimmer zu beziehen und Zugang zu Sanitäranlagen und Unterstützung zu bekommen. Jedoch bietet das Bodelschwinghaus nur Platz für 63 Männer. Darüber hinaus gibt es noch ein Containeranlage der Stadt Mission, die von 17:30 Uhr bis 7:00 Uhr geöffnet ist und eine Unterkunft für Familien sowie eine Notunterkunft für Frauen. Da es aber mindestens 2.000 Wohnungs- und Obdachlose in Kiel gibt, reichen diese Plätze noch lange nicht aus. Zwar sind Hotels in der Pflicht, eine bestimmte Anzahl an Zimmern für Wohnunglose freizuhalten, aber auch diese Kapazitäten sind ausgelastet und reichen nicht für alle. Hinzu kommt, dass nicht alle Menschen, die eine Unterkunft suchen, als hotelkompatibel gelten und somit Zugang zu dieser Unterstützung erlangen können.
Durch die Zeitschrift Hempels ist es Menschen möglich, sich zumindest teilweise selbst zu finanzieren und eine
Struktur in ihren Alltag zu bringen. Zudem gelten sie während des Verkaufs als Verkäufer*in und werden somit wieder mehr in der Gesellschaft wahrgenommen und gleichzeitig integriert.


Wie präsent sind Alkohol und Drogen?
Ebenso schwer, wie es ist, einen Weg von der Straße zu finden, ist das Leben auf der Straße selber. Viele müssen Tag und Nacht und bei jedem Wetterlage draußen leben. Hinzu kommt, dass viele unter psychischen Problemen leiden, die den Alltag erschweren.
Alkohol und Drogen wärmen bei Kälte von innen und rücken die Probleme des alltäglichen Lebens in den Hintergrund. Häufig entsteht jedoch eine Sucht, aus der es schwierig ist, einen Ausweg zu finden. Deshalb wird der Konsum bei Hilfsorganisationen auch meist nicht streng verboten, sondern nur eingeschränkt.
Trotzdem ist der Konsum von Alkohol und/oder Drogen noch immer ein Grund, warum viele Menschen Obdachlose
verurteilen und ihnen mit Distanz begegnen.

Was kann ich tun?
Die meisten von uns ertappen sich sicherlich dabei, dass sie zunächst einmal Abneigung gegenüber Obdachlosen
empfinden, wegschauen und am liebsten so schnell wie möglich an ihnen vorbei gehen wollen. Dabei hilft es den Menschen schon, wenn man ihnen ein Lächeln schenkt oder sie einfach fragt wie es ihnen geht, denn oft fehlen ihnen soziale Interaktionen.
Wenn ihr ungern Kleingeld an Menschen geben wollt, die vor Supermärkten stehen, ist es auch möglich zu fragen,
ob ihr demjenigen vllt ein Brot oder etwas anderes mitbringen könnt. Für viele ist ein Argument, kein Kleingeld herauszugeben, da es vielleicht in Alkohol und Drogen investiert wird.
Jedoch liegt es in der Verantwortung des Obdachlosen, was er oder sie sich von diesem Geld kauft. Liegt das
Hauptaugenmerk auf Alkohol und Drogen wird er oder sie ein Weg finden diese zu finanzieren. Darüber hinaus ist es immer wichtig, sich vor Augen zu halten, warum Menschen in eine Alkohol oder Drogensucht verfallen. Wie bereits erwähnt, ist der Konsum manchmal ein Mittel, um das eigene Leben erträglicher zu machen
und wird zum existenziellen Bedürfnis von Körper und Geist.
Bevor du diese Menschen also verurteilst, versuche sie zu verstehen